Katholische Arbeiternehmer-Bewegung - K A B Mechtersheim
125 jähriges Gründungsjubiläum
In dem Buch „Berghausen-Heiligenstein-Mechtersheim anno dazumal“ von 1986 ist auf Seite 260 das Bild von der „Fahnenweihe des Katholischen Arbeitervereins“ zu finden.
Das Bild mit der Unterschrift 1903/1904 zeigt die Versammlung vor dem Saaleingang des Gasthauses „Pfälzer Hof“ mit 31 Männern und 26 Frauen und Mädchen sowie dem Vorstand Peter Lutz mit 4 seiner Kinder. Der Verein wurde 1899 gegründet.
Dies ist der Anlass, dass die KAB Ortsgruppe Mechtersheim in diesem Jahr ihr 125-jähriges Gründungsfest feiert.
Zunächst ein Blick in die Sozialgeschichte:
Als Folge der industriellen Revolution um die Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich jene tiefgreifende Problematik, die gemeinhin als die „soziale Frage“ bezeichnet wird. Die Zünfte und die gesamte gesellschaftliche und handwerkliche Ordnung hatten sich grundlegend verändert. Die Folgen wurden weder in der Gesellschaft noch in der Kirche rechtzeitig erkannt. Die Verelendung weiter Teile der Bevölkerung durch die Industrialisierung nannte Bischof Ketteler in den 40iger Jahren des 19. Jahrhunderts die "wichtigste Frage der Gegenwart". 1848 wurde erstmals die „soziale Frage“ der katholischen Kirche bewusst.
Im 19. Jahrhundert wurde diese Frage gesellschaftlich immer bedeutender. Zeichen dafür sind u. a. das1848 erschienene „Kommunistische Manifest“ von Karl Marx sowie die 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründete Sozialdemokratische Partei, nachdem Ferdinand Lasalle 1863 als deren Vorläufer den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein gegründet hatte.
Der erste Katholische Arbeiterverein entstand schon 1849 in Regensburg. „Die Entwicklung der katholischen Arbeitervereine hat immer auf der untersten Ebene in den Pfarrgemeinden begonnen. Doch die eigentliche Geburtsstunde war der Katholikentag in Amberg 1884. Dort legte Pfarrer Franz Hintze, ein Sozialethiker und Mitglied der Zentrumspartei, die von ihm entworfenen Grundzüge für die Aufstellung von Arbeitervereinen vor.
Einen Aufruf zur Gründung solcher Vereine erließ die Speyerer Kirchenbehörde zwei Jahre danach an die Pfarrvorstände in den Industriebezirken.
Noch im selben Jahr wurde dort ein Katholischer Arbeiterverein gegründet. Zu dieser Zeit gehörte Mechtersheim (wieder seit 1822) zur Pfarrei Heiligenstein. Man kann davon ausgehen, dass diese Idee auch in Mechtersheim aufgegriffen und 1899 der Verein aus der Taufe gehoben wurde.
Zweck des Vereins war nach der Satzung
- Die Pflege der Religiosität und Sittlichkeit im engen Anschluss an die Kirche
- Soziale Hebung des Arbeiterstandes
- Veredlung des geselligen Lebens. Politik ist ausgeschlossen.
Dazu waren religiöse und allgemeinbildende Vorträge, sowie Vorträge über wirtschaftliche und soziale Fragen vorgesehen.
Unterlagen über die Aktivitäten des Vereins sind leider keine mehr vorhanden, aber man kann davon ausgehen, dass in Mechtersheim wie auch in den anderen Orten das Vereinsleben durch die vorgenannten Ziele bestimmt war.
Bereits 1891 wurde in München der „Süddeutsche Verband katholischer Arbeitervereine“ gegründet. Aus unserer Diözese waren dem Verband 1896 insgesamt 14 Vereine mit 1.628 Mitgliedern angeschlossen, zwei Jahre später waren es 19 Vereine mit 3.022 Mitgliedern. Daraus können wir schließen, dass die Idee der Arbeitervereine in den katholischen Kreisen einen regen Zuspruch erfahren hat.
Die Namen der Gründungsmitglieder von Mechtersheim sind nicht bekannt. Ebenso, ob damals schon Peter Lutz, mein Großvater, die Ehre des Vorstandes übernommen hatte. Er war es jedenfalls 1903/04, wie dies beim 5-jährigen Jubiläum auf besagtem Bild dokumentiert ist. Das Bild ist hier im Saal vorhanden und kann gerne studiert werden. Dabei wäre interessant, ob die darauf abgebildeten Personen von den anwesenden Gästen benannt werden können. Daraus könnten die Gründungsmitglieder mit Namen zugeordnet werden.
Unterlagen über die Vereinstätigkeit und die Mitgliederzahlen liegen nicht mehr vor. Ob Frauen im Verein aktiv waren? Dazu ist nichts überliefert; aber es gab schon in Herxheim einen Katholischen Arbeiterinnenverein.
Am (08.10.) 1898 haben die bestehenden Vereine beschlossen, einen Diözesanverband zu gründen. War dies der Funke, dass auch in Mechtersheim ein solcher Verein gegründet wurde oder ist der Anstoß dazu auch aus Heiligenstein gekommen, wo schon seit 1886 ein Katholischer Arbeiter-Bildungs-Verein bestand? So wurde von der „Mutterpfarrei“ Heiligenstein Jahre zuvor der Bau der Kirche St. Laurentius in Mechtersheim maßgeblich unterstützt und gefördert, der Grundstein dazu wurde 1893 gelegt und die Einweihung erfolgte am 09. Juli 1907. Es spricht manches dafür, dass die Anregung zur Vereinsgründung sowohl von der Kirchenleitung in Speyer als auch von dem Verein in Heiligenstein gekommen ist.
Von Beginn an waren die Mitglieder in der Sterbekasse versichert und seit dem 1. Juli 1900 bestand daneben auch in einer Krankenunterstützungskasse.
Im 1. Weltkrieg waren die Vereinstätigkeiten eingeschränkt; nicht wenige Mitglieder waren nach dem Ende des Krieges als gefallen oder vermisst zu beklagen.
Bei dieser Gelegenheit bitte ich die Anwesenden zu einem stillen Gedenken an die gefallenen und verstorbenen Mitglieder in den vergangenen 125 Jahren.
Vielleicht schon 1919 nahm der Verein seine Tätigkeit wieder auf. Dies lässt sich aus der Geschichte anderer Vereine erschließen. Ein weiteres Angebot für die Mitglieder war die unentgeltliche Hilfe in Rechtsfragen und Versicherungsangelegenheiten und die automatische zuschlagsfreie Zugehörigkeit zu der dem Verband angeschlossenen Sterbekasse genannt. Die Sterbekasse hat all die Wirren der Jahrzehnte bis in unsere Zeit überstanden.
„Bereits im Februar 1921 wurde in der Zeitung des Süddeutschen Verbandes der Katholischen Arbeitervereine „Der Arbeiter“ zum ersten Mal vor dem blinden Fanatismus unter dem Zeichen des Hakenkreuzes gewarnt. In der Verbandspublizistik wie in Vereinsvorträgen kritisierte man unentwegt die Kirchen- und Christentumsfeindlichkeit des Nationalsozialismus…“.
Die Inflation (1921-1923) hat auch den Verein wie das gesamte Leben betroffen: Der Geldwert schwand immer mehr; dadurch wurde ständig der Beitrag erhöht, die Aktivitäten eingeschränkt. Eine Bemerkung aus dem Protokollbuch der Heiligensteiner KAB von 1923 kennzeichnet die ganze Notsituation: „Wegen der ungünstigen Zeit, der großen Arbeitslosigkeit, der Verkehrssperre und sonstiger Umstände halber wurde davon abgesehen, dieses Jahr eine Weihnachtsfeier zu veranstalten.“ Die Beschränkungen betrafen sicher auch den Verein in Mechtersheim.
1928 gründete der Bezirksverband Speyer eine Bausparkasse mit dem Ziel, „auch den ärmeren Bürgern zu einem Eigenheim zu verhelfen“. Zu Anfang war die Bausparkasse sehr erfolgreich, wurde aber nach wenigen Jahren aufgelöst.
Das herausragendste kirchliche Ereignis in den 30er Jahren war der im Rahmen des 900jährigen Domjubiläums durchgeführte Arbeitertag am 15.06.1930 in Speyer. Ebenso war das Ende der Besetzung der Pfalz durch die Franzosen in der Folge des 1.Weltkrieges am 30. Juni 1930 ein großes Ereignis, das von der gesamten Bevölkerung entsprechend gefeiert wurde.
Im April 1934 erließ Robert Ley von der NSDAP, der Führer der Deutschen Arbeitsfront, das Verbot der Doppelmitgliedschaft in Arbeitsfront und konfessionellen Arbeitervereinen. Standhafte Mitglieder der Katholischen Arbeitervereine wurden aus der Arbeitsfront ausgeschlossen und verloren damit ihr Recht auf Krankengeld und Arbeitslosenunterstützung oder sogar ihren Arbeitsplatz. 1939 waren endgültig alle Katholischen Arbeitervereine aufgelöst, führten aber als „Sterbeversicherung“ ein Untergrunddasein.
Nach Kriegsende, in dem etliche Mitglieder des Vereins als Gefallene, Vermisste oder Kriegsgefangene zu beklagen waren, wurde 1946 der Katholische Arbeiterverein als „Katholisches Werkvolk“ wieder gegründet. Unser Bischof Dr. Joseph Wendel wollte jedoch nur einen Verband für die Männer, das Männerwerk. Das Katholische Werkvolk, wie die Arbeitervereine sich nun nannten, sollte nur eine Aktionsgruppe des Männerwerkes sein. Die daraus entstehenden Spannungen wurden 1951 endgültig beigelegt und das Werkvolk konnte als eigener Verein seine Tätigkeiten weiterführen.
Am 22. Mai 1971 gründeten der süddeutsche und der westdeutsche Verband sowie der Landesverband Rottenburg-Stuttgart den Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung als Dachverband. Aus dem Katholischen Werkvolk wurde die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung, die K A B.
Ende 1975 kam neues Leben in die KAB Mechtersheim, als Paul Eichstetter und Christoph Macziol die ehemaligen CAJ-Mitglieder aufriefen, sich in der KAB zu engagieren. Daraus entwickelte sich ein Arbeitskreis, der sich mit sozialen und Umweltfragen befasste. Bei den monatlichenTreffen ging es um soziale und gesellschaftliche Belange und die Teilnahme an den Aktionen der KAB in der Diözese und auf Bundesebene.
Dies war der Neubeginn der Aktivitäten der KAB im öffentlichen Leben. Noch heute sind Vertreter aus Mechtersheim als ehrenamtliche Sozialrichter, im Widerspruchsausschuss der Krankenkassen und als Vertreter der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung engagiert, ebenso in kirchlichen Gremien wie Pfarreirat und Gemeindeausschuss.
Die DIA-Schau im Eingangsbereich zeigt einige Aktivitäten der letzten Jahrzehnte.
Zu dem 125jährigen Jubiläum wünsche ich der KAB Mechtersheim Gottes Segen für eine weiterhin erfolgreiche Arbeit für die Interessen der Arbeitnehmer.
Quellen: Gelebte Solidarität 100 Jahre Diözesanverband Speyer und 100 Jahre KAB Heiligenstein 1986
Autor: Manfred Nuber, Bilder: Uwe Ohmer
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