Offener Brief
Kirchliches Arbeitsrecht hat nur dann eine Berechtigung, wenn es besser ist
Die katholische Kirche beansprucht, in ihren Lebensvollzügen der lebendige Ausdruck des von ihr verkündeten Evangeliums zu sein. Für ihre Botschaft will sie mit gutem Beispiel vorangehen. In ihrem Wirken und Handeln sollen nach eigenem Bekunden die Zusage von der Liebe Gottes für den Menschen und der Beginn des Reiches Gottes sichtbar werden. Dieses hohe Ziel gilt unbedingt für
diejenigen, die in der Kirche arbeiten. Die Ausgestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse kommt daher nicht umhin, diesen Anspruch aufzugreifen und plausibel einzulösen. Arbeitsverhältnisse in der Kirche müssen einen Vorbildcharakter für menschenwürdige Bedingungen in der Arbeitswelt haben. Mindestens auf Grundlage der drei umfassenden Sozialprinzipien
Personalität, Solidarität und Subsidiarität muss das Arbeitsrecht nicht nur einen hohen Anspruch an sich selbst formulieren, sondern diesen auch lückenlos einlösen. Hierbei sind Menschen mit unterschiedlichsten Aufgaben gefordert, in dienstlicher Gemeinschaft aktiv zu werden. Ein transparenter und ehrlicher Umgang von Mitarbeitenden und Leitungen auf Augenhöhe ist dafür die
unabdingbare Voraussetzung.
Für die zukünftige Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Raum ergeben sich auf dieser Grundlage aus Sicht der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands folgende zentrale Forderungen:
• Basis für den kirchlichen Dienst muss das gemeinsame Wirken von Dienstnehmer- und Dienstgeberseite in den unterschiedlichen Arbeitsfeldern sein und ein effektives und einklagbares Gleichgewicht der beiden Seiten sicherstellen. Nicht einseitige Loyalitätsverpflichtungen der Beschäftigten, sondern die Ermöglichung der Dienstgemeinschaft auf Augenhöhe sind das Gebot. Die Prinzipien der Katholischen Soziallehre müssen in diesem Kontext je neu konkretisiert und realisiert werden. Darüber hinaus ist eine normativ ausgerichtete Grundordnung nicht notwendig.
• Für die Realisierung der betrieblichen Mitbestimmung muss auf ein eigenes Gestaltungsrecht verzichtet werden, das eine Schlechterstellung der Arbeitnehmervertretungen gegenüber dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) darstellt. Die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes haben als Mindeststandard in allen kirchlichen Einrichtungen Anwendung zu finden. Ein eigenes, kirchliches Mitbestimmungsrecht hat nur dann seine Berechtigung, wenn es ein „besseres“/“stärkeres“ Mitbestimmungsrecht darstellt als das BetrVG.
• In der Ausgestaltung kirchlicher Tarife sind die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes weiter zu berücksichtigen. Bislang ist weder die Dienstgeberseite in Arbeitgeberverbänden, noch ist die Mitarbeiterseite gewerkschaftlich organisiert und vertreten. Die Aushandlung von Tarifen sollte weiterhin in kirchlichen Kommissionen erfolgen. Die Beschäftigtenseite muss hier aber zur Durchsetzung ihrer Interessen wirklich ausreichend befähigt werden. Gleichberechtigte Entscheidungsmacht sind hier ebenso nötig wie dementsprechende
Schlichtungsverfahren und die Eröffnung der Möglichkeit, gegebenenfalls
Arbeitskampfmaßnahmen durchführen zu können.
Ein gesondertes kirchliches Arbeitsrecht wird nur dann seine Berechtigung erhalten, wenn es in der lebendigen Ausgestaltung die Verwirklichung der eigenen hohen Ansprüche beweist. Ein kirchliches Arbeitsrecht muss besser sein und damit Vorbild für die Gestaltung einer menschenwürdigen, fairen und gerechten Arbeitswelt werden.
Bundesvorstand der KAB Deutschlands
Bundesvorsitzende Beate Schwittay und Andreas Luttmer-Bensmann, Bundespräses Stefan-B. Eirich
Köln, den 27. April 2022
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